Logorrhö – Hilfe, Quasselstrippe!

Kennen Sie das? Menschen, die gerne und viel reden und sich kaum stoppen lassen? Die sich in Details verlieren, ohne zum Punkt zu kommen? Und Sie verlieren langsam die Geduld? Oder fühlen sich in die Ecke gedrängt?

Folgende Überlegungen können Ihnen helfen, Ihrem Gegenüber besser zu begegnen (die pathologische Variante der Logorrhö lasse ich hierbei natürlich außeracht):

 

1.     Machen Sie sich bewusst: Wir kommunizieren verschieden.

Was zunächst banal klingt, ist doch ein wesentlicher Grundgedanke, weil er Ihren Blick weitet und eine gleichwertige Basis für Ihr gemeinsames Selbstverständnis schafft.

Sie mögen es vielleicht am liebsten genau auf den Punkt, Ihr Gegenüber lieber detailreich, jemand Drittes übertreibt immer maßlos oder malt verbale Herzchen bei allem was er/sie sagt – jeder hat seinen individuellen Sprachstil, der von Ihrem mitunter stark abweichen kann. Aber kein Sprachstil ist schlechter oder besser, nur anders.

 

2.     Versuchen Sie, sich in Ihr Gegenüber hineinzuversetzen: Was können mögliche Gründe für den Rededrang sein? Wissensvermittlung? Der Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung? Nach Austausch? Oder doch Imponiergehabe? Konkurrenzverhalten?

Überlegen Sie in Ruhe und lassen Sie ALLE Möglichkeiten zu, die Ihnen einfallen, auch solche, die Ihnen zunächst abwegig erscheinen. Versuchen Sie, nicht zu bewerten.

 

3.     Warum stört Sie das Verhalten des anderen eigentlich? WAS GENAU triggert Sie? Fühlen Sie sich übergangen? Ignoriert? Unterlegen? Gestresst? Gelangweilt? Welche Gefühle spielen eine Rolle?

 

4.     Und wie reagieren Sie üblicherweise auf den Redefluss? Geduldig? Genervt? Heucheln Sie Interesse? Werden Sie stumm, weil Sie nicht wissen, was Sie sagen sollen? Versuchen Ihrerseits, mit Redemenge zu „konkurrieren“? Oder kontern direkt und brechen das Gespräch mehr oder weniger elegant ab?

Entspricht Ihr Verhalten Ihren Gefühlen?

Welche Signale senden Sie Ihrem Gegenüber? Können Sie Muster in Ihrem Verhalten entdecken?

 

5.     Wie könnte Ihr Verhalten auf den anderen wirken? Wie könnten Ihre Signale auch verstanden werden? Bestehen Missverständnisse? Möglicherweise fasst er Ihre Signale anders auf als von Ihnen beabsichtigt? Deutet höfliche Zurückhaltung Ihrerseits als Interesse, Zuspruch und Ansporn? Oder fasst Ihr Kontern (das eigentlich dazu gedacht ist, das Gespräch zu beenden) als konstruktive Diskussion auf?

Lassen Sie auch hier alle Möglichkeiten zu, die Ihnen einfallen.

 

Wie wichtig sind Ihnen die eigenen Interessen, die eigene Abgrenzung? Wie möchten Sie Ihre Position stärken? Wie stellen Sie ein Gleichgewicht zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner her?

Wenn Sie die vorherigen Überlegungen zusammennehmen, bekommen Sie einen besseren Überblick darüber, was genau SIE an Ihrem Kommunikationsverhalten ändern möchten und müssen, um „mit einem guten Gefühl“ in das nächste Gespräch zu gehen.

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Kommentare: 4
  • #1

    Rena (Mittwoch, 11 August 2021 15:32)

    Hallo, erst mal vielen Dank für den interessanten Beitrag. Das Wort “Sprechdurchfall” muss meines Erachtens aber unbedingt wieder aus dem Wörterbuch raus. Egal, ob es auch in Fachtexten verwendet wird. Es ist fürchterlich. Es sollte gar nicht mehr verwendet werden. Viele Menschen scheinen es witzig zu finden. Aber wenn man z.B. aufgrund eines ADHS schon als “sozial schwieriger” eingestuft wird, ist das nicht hilfreich. Mir scheint, dass das Bashing/Mobbing mit diesem Wort den entsprechenden Leuten großen Spaß macht. Auch Menschen, die keine pathologische Ursache für den gesteigerten Redefluss haben, sollte damit nicht verurteilt werden. Es ist unmittelbar mit "Scheiße, Kot, Arsch" verbunden, die eindeutig beleidigenden Charakter haben. Diese mit dem Mund und einem - wenn auch gescheiterten Selbstausdruck - in Verbindung zu bringen ist sehr verletzend und diskriminierend. Vielleicht kann man das doch wieder aus dem Sprachgebrauch rausbekommen. Ich denke jeder weiß, was mit “impulsivem Reden”, “zu viel Reden” o.ä. gemeint ist. Und wenn man über den seriös klingenden Begriff "Logörroh" berichten möchte, kann man vielleicht trotzdem einen kritischen Hinweis zum Begriff "Sprechdurchfall" anbringen. Vielen Dank und beste Grüße.

  • #2

    Pia Lücke (Samstag, 14 August 2021 09:36)

    "Sprechdurchfall" ist kein schönes Wort, das stimmt. Erst recht nicht, wenn es dafür genutzt wird, andere zu verurteilen oder zu entwerten. Umso wichtiger ist es daher, aufmerksam mit seinen Gesprächspartnern umzugehen und nicht hinter vorgefertigten Meinungen zu verharren. Danke für den wichtigen Aspekt, Rena, und beste Grüße zurück.

  • #3

    Rena (Montag, 16 August 2021 18:31)

    Vielen Dank für Ihre Reaktion. Wie schön! Besteht denn die Möglichkeit, dass Sie den Begriff aus Ihrem Artikel rausnehmen und zum Beispiel mit "Polyphrasie - Hilfe, mein Gegenüber redet wie ein Wasserfall" übertiteln? (als Beispiel). Menschen, die andere abwerten wollen lieben besonders diese Fäkalsprache. Sie wirkt so kraftvoll und kann ja in der Tat sehr verletzen. Aber für Kinder und Jugendliche ist das sehr hart. "Du scheißt Worte!" ist ziemlich heftig. Wenn der Rufer dazu noch meint, dass es ein Fachbegriff sei und er damit im Recht ist, macht es für die Betroffenen alles noch schlimmer. Wikipedia hat den Begriff bereits herausgenommen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie nochmal überlegen, ob der Begriff unbedingt notwendig ist, um auszudrücken, was Sie meinen. Vielen lieben Dank und herzliche Grüße, Rena.

  • #4

    Verena (Sonntag, 06 August 2023 18:22)

    Hallo,
    ich 'leide' unter einer Person, die keine Empathie für ihr Gegenüber oder eine Gruppe hat und permanent laut spricht. Es geht so weit, dass 1-2 Stunden vergehen können und die Person (Frau) noch nicht einmal einen Schluck trinkt, so dass die Lippen schon ganz trocken und rissig werden. Ich habe ihr dann ein Glas Wasser in die Hand gedrückt, in der Hoffnung, dass in diesen Sekunden mal kurz Pause ist. Ich bin dann so geschafft und überwältigt, dass ich selber kein Wort herauskriege und dann geht es weiter. Ich bin auch schon einfach aufgestanden, z.Bsp. zur Toilette und sie spricht einfach weiter. Die anderen Familienmitglieder gehen einfach ihren Tätigkeiten nach und ich 'opfere' mich dann und werde zum Quasselmülleimer. Nun handelt es sich um die Tochter meines Mannes aus erster Ehe und sie ist sein Heiligtum - ihn selber nervt die Quasselei auch, aber ich traue mich nicht diesem Redeschwall zu entziehen, weil er mir unterschwellig die Aufgabe gegeben hat zuzuhören. Es gab auch schon einmal Kritik wegen ihrer endlosen Monologe, die werden aber total abgestraft. Ihre Schwiegermutter, die damit überfordert war, wird seitdem nur noch gesiezt und ist Persona Nongrata. Ehrlich gesagt kann und will ich das nicht mehr. Ich würde gerne einfach eine Tipp bekommen, wie man aus dem Monolog aussteigen kann ohne verletzend zu sein. Ich finde nicht nur die Redenden sind Opfer - auch diejenigen, die stundenlang, ja, teilweise stundenlang zuhören müssen. Die Redenden sind ja nicht dumm, daher besteht evtl. die Chance gemeinsam eine Lösung zu finden.
    Wenn das hier ein/e VielrednerIn liest: Können Sie das verstehen und wie könnte man Sie stoppen? Wäre das ok für Sie oder erwarten Sie, dass es eine Person gibt, die zum Dauerzuhören da sein muss. Ich möchte einfach einmal verstehen, was in diesen Menschen vorgeht und wie sie darauf kommen, dass sie reden 'müssen' bis sie eigentlich selber nicht mehr können. (Die Frau hat zum Beispiel gestillt und hat über Stunden nichts getrunken, nur geredet - bis ich es nicht mehr mit ansehen konnte und ihr das Glas in die Hand gedrückt habe)
    Danke für eine hilfreiche Antwort.